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Offener Brief von Roland Hartmann

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im Rahmen der aktuellen Honorardebatte im Gesundheitssystem möchte ich
Sie bitten, sich des Themas der strukturellen und finanziellen
Benachteiligung der Psychotherapeuten im deutschen Gesundheitssystem
anzunehmen und hierzu einen Artikel zu verfassen. Sollte dies nicht
möglich sein, bitte ich um Veröffentlichung meiner Email als Leserbrief:

Sollten Sie Interesse an dem Thema haben, kann ich Ihnen vorab einige
Rahmendaten nennen, die vielleicht Ihre Neugier wecken:

- PSYCHOTHERAPEUTENGESETZ: 1999 wurden die Psychotherapeuten durch das
sogenannte "Psychotherapeutengesetz" in die kassenärztliche Vereinigung
integriert und haben seitdem offiziell "Facharztstatus" (*14). Es gibt
ca. 20.000 Psychologische und Ärztliche  innerhalb der KBV
(Kassenärztliche Bundesvereinigung als Dachverband der kassenärztlichen
Vereinigungen) (*15).

- HONORAR: Die Psychotherapeuten stellen die mit Abstand geringst
verdienendste "Facharztgruppe" innerhalb der kassenärztlichen
Vereinigung dar. Bei annähernd gleicher Arbeitszeit (47 vs. 52
Wochenarbeitsstunden (*10)) verdienen Psychotherapeuten mit ca. 2658
Euro/Monat nur ca. Hälfte des Durchschnittnettoeinkommens der anderen
Arztgruppen (5542 Euro/Monat (*1, *2, *3, *4, *5, *6, *7, *8, *9)). Das
Psychotherapeutenhonorar liegt somit in etwa in der Höhe eines
Gesellengehaltes. Dies ist für einen akademischen Heilberuf mit 5-6
jährigem Hochschulstudium, weiterer 3-5 jähriger postgraduierter und im
Unterschied zu den Ärzten selbst finanzierter hochspezialisierter
Therapieausbildung mit Staatsexamensprüfung ein unwürdiger Zustand.

- FREMDVERWALTUNG: Innerhalb der kassenärztlichen Selbstverwaltung
werden die Honorare der Psychotherapeuten vom sog. erweiterten
Bewertungsausschuss der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
bestimmt. Dieser Ausschuss definiert, wie die Gelder aus dem Honorartopf
auf die einzelnen Berufsgruppen zu verteilen sind. Dieser Ausschuss ist
ärztedominiert: Die Stimmenmehrheit der Ärzte bestimmt somit die
Honorare der Psychotherapeuten. Je mehr sich die Ärzte an Honorar
zuweisen, desto weniger erhalten die Psychotherapeuten. Dies erklärt die
eklatante - und dem Bundessozialgerichtsurteil widersprechende - geringe
Honorierung der Psychotherapeuten. Zudem wurde das Stimmrecht der
Psychoterapeuten seit der "Integration" in die KBV auf 10% bei allen
Entscheidungsprozessen beschränkt (*14). Dies macht es den
Psychotherapeuten unmöglich, wenigstens einen dem wirklichen Anteil von
ca. 20% an den Behandlern entsprechenden Einfluss bei
Entscheidungsprozessen zu haben.

- BUNDESSOZIALGERICHTSURTEIL: Gegen die Honorarbenachteiligung hat das
Bundessozialgericht 2004 bereits ein entsprechendes Urteil gefällt, das
den Psychotherapeuten ein den Ärzten vergleichbares Honorar festlegt
(*12, *13). Dieses Urteil wird von der KBV jedoch bis heute nicht
korrekt umgesetzt. Da die KBV eine Körperschaft öffentlichen Rechtes
ist, kann aus juristischen Gründen kein Psychotherapeut direkt gegen die
KBV oder die Mitglieder des erweiterten Bewertungsausschusses klagen.
Dies könnten beispielsweise nur die Krankenkassen, die dies jedoch aus
Eigeninteresse nicht tun (denn ein Befolgen der Vorgaben des
Bundessozialgerichtsurteils ohne Verringerung der Ärztegehälter würde
die Kassen geschätzte 1 Mrd Euro kosten).

- HONORARVERSCHLEPPUNG: Da die Honorare der Psychotherapeuten jedes
Quartal aufs neue seitens der KBV falsch berechnet werden, legen die
meisten Psychotherapeuten jedes Quartal Widerspruch gegen die
Honorarbescheide ein: Bis zu 20.000 Widersprüche pro Quartal= 80.000
Widersprüche jährlich. Und dies seit nunmehr 13 Jahren. Immer wieder
gewinnen die Psychotherapeuten vor Gericht die Honorarklagen, so dass
die KBV dann mit mehrjähriger Verspätung Teile der Honorare nachzahlt.
Zuletzt im Jahr 2007 400 Millionen Euro! Aber selbst dadurch wurde die
vom BSG geforderte Honorargleichheit nicht erreicht.

- AKTUELLES HONORARANGEBOT DER KBV: In der nun anstehenden Honorarrunde
für 2013 zwischen den Krankenkassen und der KBV fordern die Ärzte 11%
Honorarerhöhung, und das, obwohl die Ärztehonorare jährlich aufgrund von
Rationalisierungsmaßnahmen, Delegation an Hilfspersonal,etc. steigen,
zuletzt 2011 um 3%. In der gleichen Zeit sanken die
Psychotherapeutenhonorare, zuletzt 2011 um 0,4% (*9).

- HONORARVERLUST: die letzte Honorarerhöhung für Psychotherapeuten
erfolgte in der Honorarrunde 2010, wo die Honorare um 11 Cent (!) pro
Sitzung erhöht wurden, eine Erhöhung um ca. 0,1%. Seither keine Erhöhung
mehr, nicht einmal Inflationsausgleich. Somit ein Honorarverlust seit
2009 um ca. 8% (*9).

- FOLGEN: Viele Psychotherapeutische Praxen können deshalb ihre Arbeit
inzwischen nur noch eingeschränkt wahrnehmen, z.B. auf Kosten der
Praxisausstattung, Einsparung oder Verzicht der eigenen Altersvorsorge,
Verzicht auf Angestellte, minderwertige Praxisräumlichkeiten, etc. (*11)

- AKTUELLE REAKTIONEN: Inzwischen beginnt sich die
Psychotherapeutenschaft zu mobilisieren. Es formiert sich Widerstand.
Dieser erfolgt unter anderem in Form einer breit angelegten
Informationskampagne an die Presse. Ferner äußern sich auch die
Psychotherapeutenverbände zunehmend zu der Honorarmisere. Neben den
Stellungnahmen der Berufsverbände habe ich Ihnen entsprechende
Veröffentlichungen einiger Psychotherapeutenkammern beigefügt (*16, *17,
*18, *19, *20, *21, *22, *23). Zudem ist eine Petition an den Bundestag
gestellt sowie ein offener Brief an den Bundespräsidenten verfasst.
(*24, *25)

Bei Bedarf kann ich Ihnen gerne weitere Fakten nennen.

Gerne können Sie sich auch an die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung
wenden:

Frau Ursula-Anne Ochel
Deutsche PsychotherapeutenVereinigung e.V.
Hauptstadtbüro für Kommunikation und Politik im Gesundheitswesen
Tel.: 030 - 3230 4270
Fax: 030 - 3230 4271
Mobiltel.: 0171 - 322 43 46
E-Mail: Psychotherapeuten_dptv_presse(at)t-online(dot)de

oder:
Deutsche PsychotherapeutenVereinigung e.V.
Am Karlsbad 15
10785 Berlin
Tel.: 030 - 235 00 90
Fax: 030 - 235 00 944
Homepage: www.dptv.de
E-Mail: bgst(at)dptv(dot)de


Im folgenden habe ich Ihnen einige Quellenangaben beigefügt, in denen
die meisten meiner oben genannten Fakten nachgelesen werden können:

PSYCHOTHERAPEUTENEINKOMMEN IM VERGLEICH ZUM ÄRZTEEINKOMMEN:
*1: http://www.vpp.org/meldungen/12/120717_einkommen.html
*2:
http://www.donaukurier.de/storage/scl/afp/journal/eins/2431274_m1mst1w600q75v14245_xio-fcmsimage-20120914223434-006042-505394da63716.photo_1347631870002-1-HD.jpg?version=1347654934
*3: http://www.dr-laufersweiler.de/Praxisgewinn.html
*4:
http://www.dgvt.de/dgvt/details/article/dgvt-bv-fordert-einkommensverbesserungen-fa14r-psychotherapeuten-und-strukturveranderungen-fa14r-die/?tx_ttnews%5BbackPid%5D=2109&cHash=947cd6382f87888c1a96bd4e771dafd2
*5: http://www.kbv.de/publikationen/41532.html (Honorare
Psychotherapeuten: Seite 75-78 vs. Ärzte)
*6:
http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/wirtschaft/news/2012/07/10/aerzte-verdienen-5500-euro-netto/7709.html
*7: http://www.bdp-verband.org/bdp/presse/2012/12_kuerzungen.html
*8:
http://www.deutschepsychotherapeutenvereinigung.de/index.php?id=50&no_cache=1&tx_ttnews%5Btt_news%5D=1516&tx_ttnews%5BbackPid%5D=3
*9:
http://www.deutschepsychotherapeutenvereinigung.de/index.php?id=50&no_cache=1&tx_ttnews%5BpS%5D=1335823200&tx_ttnews%5BpL%5D=7948799&tx_ttnews%5Barc%5D=1&tx_ttnews%5Btt_news%5D=1497&tx_ttnews%5BbackPid%5D=19

ARBEITSZEITEN UND ARBEITSBELASTUNG PSYCHOTHERAPEUTEN:
*10: http://www.zi-pp.de/free_pdf/ZiPP_Jahresbericht_2010_final.pdf
(Arbeitszeiten Psychotherapeuten vs. Ärzte)
*11:
http://www.bdp-niedersachsen.de/verband/Arbeitsbelast.u.Honorargerechtigkeit.Dikomey.Juni08.pdf

BUNDESSOZIALGERICHTSURTEIL 2004:
*12:
http://www.psychotherapie-roland-hartmann.de/honorar_2012/BSG-B6KA5203R_280104_HonPT
*13: http://lexetius.com/2004,953

PSYCHOTHERAPEUTENGESETZ:
*14: http://www.gesetze-im-internet.de/psychthg/BJNR131110998.html

GRUNDDATEN ZUR VERTRAGSÄRZTLICHEN VERSORGUNG:
*15: http://www.kbv.de/publikationen/125.html

STELLUNGNAHMEN EINIGER PSYCHOTHERAPEUTENKAMMERN ZUR AKTUELLEN
HONORARDISKUSSION:
Psychotherapeutenkammer Hessen:
*16: http://www.ptk-hessen.de/neptun/neptun.php/oktopus/download/1018
Psychotherapeutenkammer Bremen:
*17: http://www2.pk-hb.de/uploads/pressemitteilung_20.09.2012.pdf
*18: http://www.pk-hb.de/show/5415572.html
Psychotherapeutenkammer Bayern:
*19: http://www.ptk-bayern.de/ptk/web.nsf/id/li_pm_versorgung_honorare.html
*20: http://www.ptk-bayern.de/ptk/web.nsf/id/li_versorgung_honorare.html
*21:
http://www.ptk-bayern.de/ptk/web.nsf/gfx/68AEB6D6A5A9CFE241257A7D004A25F0/$file/Versorgung_Honorare_2012-09-17.pdf
Psychotherapeutenkammer Baden-Württemberg:
*22: http://www.lpk-bw.de/archiv/news2012/120913_aerzteprotest.html
Psychotherrapeutenkammer Rheinland-Pfalz:
*23: http://www.lpk-rlp.de/web/news_offene_briefe.php4

PETITION AN DEN BUNDESTAG:
*24: http://ccs-jade.com/Petition02.pdf

OFFENER BRIEF AN DEN BUNDESPRÄSIDENTEN:
*25: http://ccs-jade.com/Gauck01.pdf

 

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