Psychotherapeutische Unterversorgung

Unterversorgung schwarz auf weiß bewiesen

BDP fordert die richtigen Konsequenzen aus dem BARMER Krankenhaus Report 2011

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So ernst die am 26. Juli in Berlin von der BARMER GEK vorgelegten Zahlen zum Anstieg psychischer Erkrankungen und ihrer Behandlung im Krankenhaus sind, so wenig überraschen sie Psychologen und Psychotherapeuten. Der Anstieg in 20 Jahren um 129 Prozent sagt aus Sicht des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) viel über den Zustand der Gesellschaft, wachsende Belastungen im Arbeitsleben sowie Überforderung auch auf anderen Gebieten. Der Report sagt aber auch einiges über den Zustand der psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland. Der BDP unterstützt die Forderung der Barmer nach besseren ambulanten Angeboten anstelle nicht in jedem Fall notwendiger Klinikaufenthalte. Umso weniger sei zu verstehen, dass der Versorgungsgesetz-Entwurf von einer Überversorgung mit Psychotherapeuten in großen Teilen Deutschlands ausgeht und den Abbau von 6000 psychotherapeutischen Praxen vorsieht.

Wenn die BARMER in ihrem Krankenhaus-Report die steigende Zahl von Krankenhausaufenthalten wegen psychischer Störungen und die vielen Fälle von wiederholten Krankenhausaufenthalten beklagt, müssen Versicherer, Gesundheitspolitiker und Klinikbetreiber sich doch fragen, wie die psychotherapeutische Versorgung verbessert und nicht wie sie weiter eingeschränkt werden kann, sagt Hans-Werner Stecker aus dem Vorstand des Verbandes Psychologischer Psychotherapeuten im BDP. Der Kostendruck in den Kliniken sei sehr hoch, die Zahl der Behandler in Relation zu den Patienten viel zu niedrig, und in vielen Fällen würden Patienten von Ärzten in Weiterbildung zum Facharzt statt von erfahrenen Psychotherapeuten behandelt. Psychotherapie ist ein komplexes Beziehungsgeschehen und setzt eine umfangreiche Ausbildung und Erfahrung voraus, die von Weiterbildungsassistenten nicht zu erwarten ist, betont er. Die Folge ist laut Hans-Werner Stecker häufig eine Reduktion auf eine rein medikamentöse Behandlung, die bei den meisten Patienten allein jedoch nicht zu dauerhafter Gesundung führt, so Stecker.

Dass Patienten nach ihrer Entlassung nicht selten wenige Monate später wieder in Kliniken landen, lässt sich s.E. auch darauf zurückführen, dass Patienten nicht nahtlos von ambulant arbeitenden Psychotherapeuten aufgefangen werden können. Dies mache deutlich, dass es eben entgegen zahlreicher Behauptungen keine Überversorgung gibt, sondern eine Unterversorgung. Insbesondere fehle es an Möglichkeiten, Patienten mit komplexen Störungsbildern bei entsprechender Indikation mit einer intensiveren psychotherapeutischen Behandlung unter Einbeziehung eines multiprofessionellen Teams versorgen zu können und damit eine stationäre Behandlung weitgehend zu ersetzen. Stecker kritisiert zudem, dass der Krankenhausreport den Eindruck erwecke, die Rückkehr in die Klinik sei in jedem Fall ein Fehler zum Schaden für alle Beteiligten. Tatsächlich gebe es insbesondere bei Fehlen ambulanter Angebote durchaus gute Gründe, Patienten im Sinne einer Intervallbehandlung in den Alltag zu entlassen und sie nach einiger Zeit erneut zur weiteren Vertiefung der Behandlung erneut stationär aufzunehmen.

Bezüglich der von verschiedenen Seiten empfohlenen stationären Kurzzeittherapien fordert Stecker eine differenzierte Betrachtung. Zum einen seien psychische Störungen in der Regel nicht „minimal-invasiv“ therapierbar. Eine auf wenige Tage begrenzte Krisenintervention im Krankenhaus könne Sinn machen, wenn sie eingebettet ist in den Rahmen einer ambulanten Behandlung. Denkbar seien auch Belegbetten für Psychotherapeuten im Krankenhaus, so dass während eines stationären Aufenthalts eine Weiterbehandlung in Kooperation mit dem Stationsteam erfolgen könne. Dies lassen die gegenwärtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen jedoch noch nicht zu.

In dem Festhalten der Verantwortlichen an einer unwissenschaftlichen und unrealistischen Berechnungsgrundlage für künftige Versorgungsstrukturen sieht der BDP eine große Gefahr. Der Verband fordert die Abschaffung der sogenannten Stichtagsregelung von 1999, sowie eine Neuberechnung des Bedarfs an Psychotherapeuten, die sich an der Morbidität in der Bevölkerung orientiert. Die Zahlen dafür seien verfügbar und müssten nur endlich in die Versorgungsplanung einfließen.

 

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